Muss es immer Zerspanung sein? Mit ECM neue Wege in der Fertigung gehen

by Oliver Hagenlocher
ECM – Interview über Elektrochemische Metallbearbeitung

ECM (Electrochemical Machining / Elektrochemische Metallbearbeitung) findet immer mehr Anwendungen in der Industrie. Üblich ist bisher das Entgraten, es könnte aber klassische spanende Fertigungsverfahren als bessere Alternative ersetzen. Was genau dahinter steckt, erklären die beiden ECM-Experten Fazli Yilmaz und Franz Groß von EMAG ECM im Interview.

Herr Groß, Herr Yilmaz, ECM gilt für viele Fertiger noch als ein eher exotisches Verfahren. Wie funktioniert es, wo liegen die Vorteile?

Fazli Yilmaz: Das Verfahren beruht auf der Elektrolyse. Ein Werkzeug fährt in einer Elektrolytlösung dicht an ein Werkstück. Eine Spannung entlädt sich zwischen dem als Kathode dienenden Werkzeug und Werkstück, der Anode. Dadurch geht das Material vom Werkstück in Lösung über, das vom Elektrolyt ausgeschwemmt wird. Vor jeder Annährung fließt sauberes Elektrolyt nach. Wesentlicher Vorteil des Verfahrens ist die Berührungslosigkeit zwischen Werkzeug und Werkstück. Wir erzielen Vorschübe zwischen 0,2 Millimetern beim Bearbeiten filigraner Teile und vier Millimetern pro Minute beim Räumen.

Franz Groß: ECM hat einen geringeren Verschleiß der Werkzeuge als spanende Fertigungsverfahren. Aber auch das Werkstück wird geschont, da es keinen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt wird. Das verhindert Veränderungen der mechanischen Werkstoffeigenschaften und garantiert eine hohe Reproduzierbarkeit. Wir erzielen, abhängig vom Werkstoff, Oberflächengüten bis zu Ra 0,05 µm und besser. Durch eine geschickte Werkzeugform lassen sich schwer zugängliche Stellen gut bearbeiten und komplizierte Formen sogar im Bauteilinneren realisieren. ECM eignet sich besonders für Bauteile aus den Bereichen Motor- und Getriebebau sowie der Fluidik, aber auch der Medizintechnik und Luftfahrt.

Welche Materialien lassen sich mit den ECM-Verfahren bearbeiten?

Fazli Yilmaz: Grundsätzlich kommen alle elektrisch leitenden Metalle infrage, vom normalen und hochlegierten Stahl bis zum Aluminium. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um weiches Aluminium oder gehärteten Stahl handelt, der Prozess bleibt gleich und auch die Prozesszeiten ändern sich selbst bei besonders harten Nickelbasislegierungen nur unwesentlich.

Aus welchen Werkstoffen bestehen die Kathoden und wer fertigt sie?

Fazli Yilmaz: Wir verwenden in der Regel gängige austenitische Edelstähle 1.4301 (X5CrNi18-10) oder 1.4303 (X5CrNi18-10), die besonders korrosionsbeständig sind und sich gut klassisch bearbeiten lassen. Sie müssen nicht gehärtet werden. Grundsätzlich kann jeder Kunde, der über entsprechende Maschinen verfügt, die Kathoden selbst herstellen.

Franz Groß: Wir bieten das allerdings auch als Service an. Vor allem am Anfang empfiehlt es sich, im Rahmen eines Turnkey-Projekts mit unserer Hilfe eigene Expertise aufzubauen. Der Kunde kann auf Wunsch bei uns alles aus einer Hand bekommen, den kompletten Prozess mit Maschine, Werkzeugen, Vorrichtungen, Automation usw.

Welche Steuerungen setzen Sie ein und wie lässt sich der Prozess automatisieren?

Franz Groß: Wir verwenden durchgängig Siemens-Steuerungen. Für die C-Maschinen wird das in Zukunft die Simatik S7-1500 sein. Bei den größeren P-Maschinen setzen wir die Sinumerik 840D sl ein. Die Programmierung ist bei beiden Steuerungen identisch aufgebaut. Für ein neues Werkstück muss lediglich das passende, hinterlegte Typprogramm aufgerufen und die entsprechenden Parameter eingegeben werden. Es ist wirklich einfach, einen Typ anzulegen und einzufahren.

Fazli Yilmaz: Alle ECM-Maschinen sind manuell oder automatisch beladbar, sowohl über ein Portal-System als auch per Roboter. Interessant ist die Möglichkeit, zunächst manuell zu starten und bei steigenden Stückzahlen zu automatisieren. Hinzu kommt die Möglichkeit der Mehrfachbearbeitungen.

Wie sieht das Elektrolyt-Management aus?

Franz Groß: Es handelt sich um einen geschlossenen Prozess. Was an Material abtragen wird, geht vollständig ins Elektrolyt-Managementsystem mit Filtration. Das kann bei den Einzelplatzmaschinen integraler Bestandteil der Maschine sein, oder ein separates Elektrolyt-Managementsystem, an das mehrere ECM-Module angeschlossen werden.

Fazli Yilmaz: Das verschmutzte Elektrolyt wird im Managementsystem mehrfach gefiltert. Dazu stehen verschiedenste Filtrationsmöglichkeiten von leicht wechselbaren Patronen über Kammfilterpressen bis hin zur Mikrofiltration mit Rückspülung zur Verfügung. Letztere erreicht eine Partikelgröße von 0,5 µm, wir haben also immer praktisch reines Elektrolyt im Prozess. Das Elektrolyt sollte im Schnitt jährlich gewechselt werden, was aber vom Einzelfall abhängt. Es wird automatisch aufbereitet und der pH-Wert im neutralen Bereich gehalten.

Was kostet das Ganze?

Franz Groß: Eine integrierte Einzelmaschine zum Entgraten und Bohren liegt, abhängig vom Werkzeug und der Komplexität, bei 180.000 bis 220.000 Euro. Eine Modulmaschine mit externem Elektrolytmanagement kostet als Basisinvestition etwas mehr, was sich aber durch geringere Kosten für weitere CS-Module ausgleicht. Die PECM-Einzel- und -Modulmaschinen für das Räumen und Bearbeiten lassen sich schlecht beziffern, da der Preis sehr stark von der Applikation und dem technischen Konzept abhängt.


Über EMAG ECM

Die EMAG ECM GmbH mit Sitz in Heubach beschäftigt sich mit elektrochemischer Metallbearbeitung. Das Entgraten im Zerspanungsprozess beeinträchtigt häufig die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems, da es bei der Planung oft übersehen wird. Mit Emag ECM schließt die EMAG-Gruppe diese Lücke und bietet als erstes Unternehmen den gesamten Zerspanungsprozess inklusive Entgraten aus einer Hand. Darüber hinaus hat sich das Verfahren so weiterentwickelt, dass es sich heute in vielen Fällen des Bohrens, Räumens und Bearbeitens als bessere Alternative zur Zerspanung anbietet.

Weitere Informationen zur ECM-Technologie finden Sie hier…

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