Wie funktioniert eigentlich… ein Pkw-Bremssystem? Fünf Fragen – Fünf Antworten

Das Pkw-Bremssystem besteht im Kern aus zwei „Reibpartnern“: Bremsscheibe und Bremsbelag. Wie funktioniert das Ganze genau?

by Oliver Hagenlocher

Auf den ersten Blick wirkt es ganz einfach: Bremsbeläge drücken an die Bremsscheibe, es entsteht Reibung und das Fahrzeug wird langsamer – so die Grundfunktion der Scheibenbremse. Tatsächlich steckt in diesem Pkw-System aber sehr viel Know-how. Auf was kommt es dabei im Detail an?

1. Was zeichnet das System im Detail aus?

Seit den 1960er-Jahren werden Scheibenbremsen im Pkw verbaut. Sie sind bei Dauerbelastung stabiler als die Trommelbremsen. Die Steuerung des Systems erfolgt per Hydraulik: Drückt der Fahrer auf das Bremspedal, leitet ein Hydraulikzylinder Bremsflüssigkeit weiter – und zwar getrennt in zwei Druckkreise, damit im Fall eines punktuellen Schadens nicht gleich das gesamte System ausfällt. In der Folge werden Kolben an den Scheiben aktiviert und drücken die Bremsbeläge zusammen. Interessanterweise sind Weiterentwicklungen an diesem scheinbar einfachen System komplex: Als sicherheitskritisches Bauteil ist die Bremse umfangreichen Auslegungen, Tests und Freigabeprozeduren unterworfen, denn das Zusammenwirken von Bremsscheibe und Bremsbelag ist auf der physikalischen Detail-Ebene anspruchsvoll. Experten sprechen von zwei „Reibpartnern“, was auch darauf hinweist, dass beide Bauteile verschleißen. Übrigens: Wie stark man maximal bremsen kann, wird von der sogenannten Haftreibung der Räder bestimmt – nicht von den Bremsen.

Pkw-Bremssystem

Pkw haben zumeist zwei Druckkreise, damit im Fall eines punktuellen Schadens nicht gleich das gesamte System ausfällt.

Quelle: VentYl, Public domain, via Wikimedia Commons, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/46/Brzdy-S130.png

 

2. Wer hat’s erfunden?

Der Brite Frederick W. Lanchester gilt als Erfinder der Scheibenbremse für Pkw. 1902 meldet er dazu ein Patent an, wobei seine (noch rein mechanische) Technologie ab 1905 in Fahrzeugen verbaut wird. Das erste hydraulische Bremssystem entwickelt der US-Amerikaner Malcolm Loughead, für das er im Jahr 1917 ein Patent anmeldet. Ein weiterer Meilenstein ist die Erfindung der beschichteten Bremsscheibe inklusive selbstverstärkendem Bremssystem durch den deutschen Ingenieur Hermann Klaue im Jahr 1940. Das erste europäische Serienfahrzeug mit Scheibenbremsen an allen Rädern war der Roadster Austin-Healey 100 S. Er wurde von BMC von 1953 bis 1959 in England gebaut.

Scheibenbremse

Patent einer Scheibenbremse für Fahrräder aus dem Jahr 1894: Das heute noch gültige Grundprinzip kommt hier bereits zum Einsatz.

Quelle: Joel H. Hendrick & Arthur H. Fay, Public domain, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/ff/1894-09-18-Patent-526317-Brake-for-Velocipedes-2a.jpg, via Wikimedia Commons

 

3. Wie verändert sich das System?

Mit der geplanten Euro-7-Norm der EU verändert sich die Ausgangslage. Der Standard regelt erstmals nicht nur Emissionen von Verbrennungsmotoren, sondern auch den Abrieb von Bremsen und Reifen. Das Auto wird also als Ganzes betrachtet, wobei die Feinstaub-Emissionen des Bremssystems sehr stark zurückgehen müssen. Heute emittiert ein Pkw je nach Modell zwischen 5 und 40 Milligramm Feinstaub je Kilometer (WLTP-Fahrzyklus). Zukünftig beträgt die Obergrenze für alle (!) Fahrzeuge nur noch 7 Milligramm. Folglich arbeiten Forscher an Bremsscheibe und Bremsbelag, denn ihr Zusammenwirken erzeugt den Feinstaub. Im Zentrum steht dabei etwa der Ansatz, die konventionelle Bremsscheibe so zu beschichten, sodass Korrosion, Verschleiß und Feinstaub kaum noch auftreten.

 

4. Welche Rolle spielt die E-Mobilität?

Bei E-Autos werden die Bremsen seltener genutzt, denn während der Rekuperation des Motors entsteht ausreichend Bremswirkung – und die ungenutzte Bremsscheibe beginnt unter Umständen sogar zu rosten. Interessant ist in diesem Kontext ein TÜV-Report aus dem Jahr 2023, der Mängel an den Bremsen von E-Autos überdurchschnittlich häufig auflistet. Die Experten sprechen hierbei sogar von einem „Einschlafen“ der Bremsbeläge und empfehlen den E-Auto-Fahrern, regelmäßig kräftiger zu bremsen.

 

 5. Was bedeutet das alles für die Produktion?

Es ist keine neue Idee, Bremsscheiben zu beschichten, um den Abrieb zu verringern. Allerdings gab es dabei bislang einige Probleme – von hohen Produktionskosten über aufwendige Vorarbeiten bis zu störenden Schichtdicken. Vor diesem Hintergrund bietet EMAG in Zusammenarbeit mit HPL Technologies ein neues additives Verfahren an. Dabei wird Werkstoffpulver gezielt in den Fokus eines Laserstrahls befördert, wo es noch in der Luft schmilzt und auf die ebenfalls angeschmolzene Oberfläche der Bremsscheibe trifft.

Beschichtungstechnologie von EMAG

EMAG bietet in Zusammenarbeit mit HPL Technologies ein neues additives Verfahren zur Beschichtung von Bremsscheiben an.

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