Moderne Produktionsanlagen sind ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen. Bei hochwertigen Rundschleifmaschinen kann eine umfassende Modernisierung bestehender Anlagen eine wirtschaftlich interessante Alternative zur Neuanschaffung sein. Die CNC-Technik Weiss GmbH, seit 2019 Teil der EMAG Gruppe, hat sich auf das Retrofit von Karstens Rundschleifmaschinen spezialisiert. Das Unternehmen mit Sitz in Neckartailfingen verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Überholung und Modernisierung dieser Präzisionsmaschinen. Im Interview mit Andreas Holstein, Werkleiter EMAG Weiss, konnten wir über die technischen Möglichkeiten und wirtschaftlichen Aspekte von Retrofit sprechen.
Wie definieren Sie den Begriff Retrofit im Kontext von Werkzeugmaschinen?
Unter Retrofit verstehen wir die Modernisierung oder Umrüstung älterer, nicht mehr produzierter Maschinen. Dies umfasst sowohl mechanische als auch steuerungstechnische Komponenten. Davon abzugrenzen ist das Upgrade, bei dem bestehende Anlagen im Bereich Funktionalität oder Sicherheitstechnik erweitert werden.
Was sind die wichtigsten Gründe für ein Retrofit?
Ein wesentlicher Grund ist häufig die veraltete Steuerungs- und Antriebstechnik, für die keine Ersatzteile mehr verfügbar sind. Hinzu kommen verschlissene mechanische Komponenten wie Führungen oder eine nicht mehr ausreichende Maschinengeometrie. Ein wichtiger wirtschaftlicher Aspekt ist, dass das Investment für ein Retrofit etwa 15 bis 30 Prozent unter den Kosten einer vergleichbaren Neumaschine liegt. Zudem wird die Sicherheit der Maschine verbessert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. So sind alle retrofittete Maschinen auch CE-konform.
Wie läuft der Retrofit-Prozess konkret ab?
Zunächst führen wir beim Kunden eine detaillierte Bestandsaufnahme der Maschine durch. Darauf aufbauend besprechen wir die Möglichkeiten zur Überarbeitung der einzelnen Baugruppen und erstellen ein skalierbares, transparentes Angebot. Je nach Umfang erfolgt der Umbau bei uns oder beim Kunden. Die überholte Maschine erreicht in den modernisierten Komponenten Neumaschinen-Niveau.
Welche Genauigkeiten erreichen Sie nach einem Retrofit?
Wir orientieren uns an der DIN 8630 für Rundschleifmaschinen. Ein Beispiel: Bei Werkstückspindeln erreichen wir Rundläufe von 0,5 Mikrometern oder besser. Die Maschinengeometrie und -genauigkeit entspricht nach dem Retrofit dem Niveau einer Neumaschine.
Wie lange dauert ein typisches Retrofit-Projekt?
In der Regel zwischen 12 und 16 Wochen, abhängig vom Umfang. Da wir über 60 Grundmaschinen aller Karstens-Baureihen im Lager haben, können wir oft eine baugleiche Maschine als Basis nehmen. Der Kunde kann dann bis zum Austausch auf seiner alten Maschine weiterproduzieren. Die Ausfallzeit reduziert sich so auf etwa zwei Tage.
Welche Bedeutung hat das Thema Energieeffizienz beim Retrofit?
Wir setzen durchgängig energieeffiziente Komponenten ein. Die Schleifspindelmotoren entsprechen der Effizienzklasse IE4 und werden mit rückspeisefähigen Frequenzumrichtern betrieben. Bei der Maschinenkühlung verwenden wir raumgeführte Klimageräte, die nur um ein Delta zur Raumtemperatur regeln. Hydraulikpumpen arbeiten mit einer Speicherladeschaltung, laufen also nicht permanent. Maschinen mit Hydraulik werden auf Servomotoren umgerüstet und sind danach hydraulikfrei.
Können Sie uns verschiedene Retrofit-Projekte aus Ihrem Portfolio vorstellen?
Ein sehr eindrucksvolles Beispiel ist das bereits erwähnte Retrofit einer Karstens K33 für einen Automobilzulieferer. Die Maschine bearbeitet Lenkritzel für elektrische Servolenkungen. Mit dem integrierten Ladeportal erreichen wir eine Span-zu-Span-Zeit von nur 19 Sekunden – schneller als vergleichbare Neumaschine am Markt.

Rundschleifmaschine Karstens K33 nach Komplett-Retrofit: Ausgestattet mit moderner CNC-Steuerung, Vollverkleidung und integriertem Ladesystem
Ein weiteres interessantes Projekt war das Komplett-Retrofit einer Karstens K11. Hier haben wir die Maschine zur W 11-Advanced aufgewertet, mit Kugelgewindetrieb in der Z-Achse, moderner Motion-Steuerung und Touch-Bedienung. Besonders wichtig war hier die mikrometer-genaue Zustellung und das automatische Z-Achsen-Freifahren.

Retrofit Universalrundschleifmaschine K 11 mit modernster Steuerungstechnik: Präzise Zustellung durch Kugelgewindetrieb in der Z-Achse und benutzerfreundliche Touch-Bedienung
An einer Karstens K19 haben wir ein umfangreiches Upgrade durchgeführt. Die Maschine erhielt eine stufenlose B-Achse und eine aktive Längspositionierung am Schleifspindelstock. Durch den Umbau der X- und Z-Achse mit Servomotoren und Kugelrollspindeln ist nun auch das Außen- und Innenschleifen, einschließlich Kegelschleifen, in einer Aufspannung möglich.
Gibt es auch noch kostengünstigere Retrofit-Varianten?
Ja, ein gutes Beispiel ist das Retrofit einer Karstens K56. Hier hatten wir eine mechanisch noch sehr gute Maschine mit Steuerungsproblemen. In solchen Fällen bieten wir ein „Light-Retrofit“ an, bei dem wir uns auf die Erneuerung der Steuerung und die mechanische Überholung der wichtigsten Baugruppen konzentrieren. Das ist eine wirtschaftlich sehr interessante Option für Kunden, deren Maschinen mechanisch noch in gutem Zustand sind.

Kosteneffiziente Modernisierung einer Karstens K56: Die mechanisch gut erhaltene Maschine erhielt eine neue Steuerung und gezielte Überholung der Kernkomponenten.
Wie sieht es mit der Ersatzteilversorgung bei Retrofit-Maschinen aus?
Die Ersatzteilversorgung für Retrofit-Maschinen ist in der Regel langfristig gesichert, da im Rahmen des Retrofits veraltete Steuerungs- und Antriebskomponenten durch moderne, gängige Technik ersetzt werden. Hinzu kommt, dass wir einen umfassenden Service anbieten und auch für sehr alte Maschinen noch Ersatzteile vorrätig haben. So stellen wir sicher, dass Ihre Maschine über ihre gesamte Lebensdauer zuverlässig betrieben werden kann.